Ein Dachzelt auf dem Jimny?
…oder…
Die Dachzelt + Jimny -Problematik
Die Vorgeschichte
Bereits vor der Anschaffung des Jimnys kamen für andere Fahrzeuge Dachzeltgedanken auf.
Das Nächtigen im Aufstelldach eines 110er Defenders war wohl der Auslöser für diese in Stoff gehüllten Träume.
Der Jimny stand also auf dem Hof und wie es der Zufall wollte, wurde nur einige Kilometer entfernt, ein annähernd neues Dachzelt von Privat angeboten! (Danke Mathias!)
Nach dem unproblematischem Kauf und der Erstmontage, kamen genau die Fragen auf, die viele sich intelligenterweise bereits vor dem Kauf eines Dachschlafmöbels stellen.
Meine eigene berufliche Vergangenheit bei einem der größten Onlinehändler für Outdoor-Equipment, brachte den Vorteil mit sich, dass ich mich bereits mit allen möglichen Stoffen, Nähten, Zeltformen, Pflegemöglichkeiten und auch den entsprechenden Normen beschäftigt hatte.
Nun kam allerdings die unerwartete Problematik der Dachlast hinzu, von der ich bis dato noch nie etwas gehört hatte.
Nachdem ich mich in sämtlichen Outdoor- und Offroad- Foren eingelesen hatte und aufgrund der vielen und auch vielen widersprüchlichen Informationen keinen Deut schlauer war als vor meiner Recherche, stieß ich auf Thilo Vogel und die Facebook-Gruppe der Dachzeltnomaden.
BINGO! Volltreffer!
Und für jeden der nur den entferntesten Gedanken an das Schlafen auf dem Fahrzeug verschwendet, ist ein Besuch der Seite absolut empfohlen.
Doch auch in der Dachzeltnomaden-Community, wie im gesamten Internet-Universum lauert die Gefahr, das falsche Annahmen durch stetiges Wiederholen und Teilen zur gefühlten Wahrheit mutieren.
Aus diesem Grund ist ein Forum oder eine Gruppe und die dort getätigten Äußerungen immer mit einer Portion Vorsicht zu genießen.
Thilo Vogel betreibt mit seinem Team mittlerweile eine sehr gut recherchierte Datenbank welche unter
www.dachzeltnomaden.com
viel Wissenswertes für Interessierte bereithält.
Die „Jimny mit Dachzelt“ -Fakten
Als Jimny-Fahrer stößt man in mehrerlei Hinsicht schnell an die Grenzen des auf den ersten Blick Machbaren.
Hier wäre als erstes der Mythos Dachlast zu erwähnen:
DIE DACHLAST
Grundlegendes zur Dachlast
Oft liest man in Foren, Fragen wie diese:
„Mein Jimny hat doch nur 50kg Dachlast, wenn ich da jetzt einen Träger und ein Dachzelt auflade überschreite ich die 50kg ja schon. Wie soll ich (95kg) und meine Frau (ähnliches Gewicht) da noch reindürfen?„
Nun ja, ganz einfach:
Die Herstellerseitige Angabe der Dachlast ist immer DYNAMISCH.
Bedeutet, die angegebene maximale Dachlast greift nur bei einem, sich in Bewegung befindlichen Fahrzeug!
Die STATISCHE, also bei einem parkenden Fahrzeug angegebene Dachlast ist fast irrelevant, weshalb es hierüber Herstellerseitig auch äußerst selten Angaben gibt.
Oder um es am Beispiel zu verdeutlichen:
Dachlast: 100kg
Auf dem Dach befinden sich als Ladung ein Ersatzreifen mit 25kg, eine Zarges Box mit 23kg und Dachzelt mit 50kg.
Gesamtgewicht 98kg
KEIN PROBLEM
Dachlast: 45kg
Auf dem Dach befinden sich als Ladung ein recht leichtes Dachzelt mit 43kg, eine Leiter zum Dachzelt erklimmen mit 2kg und ein vergessenes Kissen im Zelt mit 125g.
Gesamtgewicht 45,125kg
PROBLEM
Jetzt sollte man als „Kissenvergesser“ einige Punkte in seine Risikobetrachtung einbeziehen:
Wozu gibt es eigentlich diese dynamische Dachlast?
Wenn man 30kg hört, könnte man nach dem Motto „Was, das Dach hält nur 30kg aus?“ glatt Angst bekommen sich in den Wagen zu setzen!
Natürlich hält das Dach wesentlich mehr aus. Es sollte ja, ohne Berücksichtigung der wirkenden G-Kräfte, bei einem Unfall mit Überschlag im mindesten einmal das Fahrzeuggewicht tragen können, um die Insassen vor selbigem zu schützen, wenn man auf dem Dach landet.
Einige sagen auch es sei zur Vermeidung der Kopflastigkeit und um Wankbewegungen entgegenzuwirken.
Daran kann ich nicht wirklich glauben. Natürlich merkt man, gerade bei einem höhergelegten Fahrzeug das zusätzliche Gewicht auf dem Dach.
Im Straßenverkehr hingegen ist das meines Erachtens nach getrost zu ignorieren.
Die Dachlast eines Defenders ist fast ein halber Jimny, und der wankt Serienmäßig mindestens genauso wie der kleine Hüpfer selber.
Ich gehe eher von einem rechtlichen Hintergrund seitens des Herstellers aus.
Wenn das richtig gesicherte Transportgut auf dem Dach, bei einem Unfall einen Schaden hinterlässt, der auf das Gewicht des Transportgutes selber zurückzuführen ist, könnte man auf die Idee kommen, den Hersteller dafür haftbar zu machen.
Am Beispiel:
100kg zulässige Dachlast, beladen mit 50kg Dachzelt.
Bei einer Vollbremsung brechen die vom Hersteller angegebenen und genutzten Befestigungspunkte.
Das Dachzelt schießt in den Wagen vor mir und verpasst den Insassen eine Telly Savalas-Gedächtnisfrisur.
Wer übernimmt die Verantwortung, insofern der Fahrer die vom Hersteller vorgegebenen Punkte eingehalten hat?!
Die Herstellerseitige Lösung zur Vermeidung von Ansprüchen seitens des Fahrers, ist eine Verringerung der Dachlast. 30kg sind eben nicht oder nur bedingt zum skalpieren geeignet.
Doch wie oft kommt oben genanntes Szenario vor, wenn man denn mit Verstand an die Sache geht und mit gutem Gewissen sein Transportgut sichert, wozu man, nur um es nebenbei erwähnt zu haben, eh verpflichtet ist?
Also ist das subjektiv und von meiner Seite aus betrachtet, alles mehr oder minder Schwachsinn und hier kommen wir auch tatsächlich zum nächsten Punkt der Risikobetrachtung:
Wo in meinem Fahrzeugschein ist die maximale Dachlast angegeben?
Punkt F1. Oder doch S4? Nein nein, O3 ist es!
Also wo denn nun?
Ach Moment! Gar nicht?!
Ja genau! Die Dachlast ist nicht im Fahrzeugschein festgehalten.
Das heißt für all die Rebellen unter euch: Ihr könnt alles aufs Dach packen was ihr wollt. Naja, fast alles.
Wenn der gesunde Menschenverstand noch greift, dann solltet ihr natürlich rechtzeitig wissen wann Schluss mit lustig ist.
Insofern ihr das Transportgut vernünftig gesichert habt, wird kein Polizist in einer Kontrolle die Dachlast bemängeln oder im konkreten Fall das Dachzelt abbauen und wiegen lassen.
Und auch kaum können. Denn wie die Nachfrage bei der Polizei ergab, gibt es verscheidene Eichstufen bei den dort vorhandenen Fahrzeugwagen. Die Toleranz einer für PKW geeigneten Waage, ist bereits höher als das Gewicht eines Dachzeltes. Es kann also nur das Gesamtgewicht ermittelt werden. Ein abgebautes und gewogenes Dachzelt, wird keine Ergebnisse liefern die eine Weiterfahrt unterbinden.
Die Dachlast ist also nicht in den Fahrzeugpapieren, sondern nur in der technischen Dokumentation des Herstellers gespeichert.
Um das zu übersetzen: Es bemängelt auch niemand den Wendekreis oder die Abstufung der Gänge in Verbindung mit der Wirksamkeit im Drehzahlbereich.
Alles Dinge die in der technischen Dokumentation geschrieben stehen und keinen Menschen da draußen interessieren, insofern man es nicht übertreibt und auffällig wird.
Nur einmal hat man mich mit Dachzelt auf dem Jimny angehalten.
Die netten Herren der Polizei konnten sich nichts genaues unter der großen grauen Plane vorstellen.
Selbige waren nach dem Zeigen des folgenden Videos dermaßen angetan von der Idee, auf dem Dach nächtigen zu können, dass ich mich fast gezwungen sah, in dem gut 30-minütigen Gespräch, nebst allen Erklärungen, Block und Stift zur Hand zu nehmen und alle Dachzelt-Hersteller aufzulisten, welche mir in diesem Moment in den Sinn kamen.
Das Ganze soll keineswegs als Tipp verstanden werden die Dachlast zu überschreiten oder die Aufforderung enthalten eine „Straftat“ zu begehen. Wobei man hier natürlich abklären müsste ob dies überhaupt eine Straftat wäre.
Aber manchmal lohnt es eben auch ein kleines Risiko einzugehen, dessen Ausmaße man selber in der Hand hat.
ZUM JIMNY SELBER
Der Jimny, vorerst egal welcher Baureihe, ist mit dem Fluch der geringen Dachlast belegt.
Nach meine Recherche gliedert sich diese in etwa folgendermaßen:
JIMNY FJ, Modelljahre 1998-2003: 45 kg
JIMNY FJ, Modelljahre 2003-2011 40 kg
JIMNY FJ, Modelljahre 2011-2016: 35 kg
JIMNY FJ, Modelljahre ab 2016: keine Angabe
JIMNY GJ, Modelljahre 2018-2020: 30kg (bzw. keine Angabe)
JIMNY HJ, Modelljahre 2021-aktuell: keine Angabe (bzw. 30kg)
Die angenommenen Daten sind immer aus den technischen Datenblättern von Suzuki entnommen.
In Foren oder Wiki-Seiten geistern zum Teil andere Werte umher.
So wird z.B. auf der Testseite von auto-motor-sport, die komplette Jimny-Reihe mit 40kg Dachlast angegeben.
Diese Lasten beziehen sich auf in Deutschland zugelassene Fahrzeuge.
Verwirrend kommt nämlich hinzu, dass der Jimny GJ ab Modelljahr 2018 in Südamerika 45kg Dachlast angegeben hat.
Mehr zu den Absurditäten findet ihr in diesem Beitrag über den (nicht mehr so) neuen Jimny!
Solltet ihr weiterhin dem Dachlast-Mythos verfallen sein, gibt es auf der Seite der Dachzeltnomaden die Kategorie „Die leichtesten Dachzelte„. Hier findet man sogar Zelte unter 30kg!
Es gilt aber tatsächlich noch einen weiteren, durchaus einschränkenden Punkt zu beachten:
Die maximale Zuladung!
Insofern der Träger auf welchem das Dachzelt ruht, nicht fest mit der Karosserie verbunden ist, zählt er als Ladung, womit sich die Dachlast bereits verringert.
Hinzu kommt die maximale Zuladung des Fahrzeuges, die beim Jimny naturgemäß auch als eher gering einzustufen ist.
Wenn also 2 Erwachsene (wobei der Fahrer bereits mit 75kg in das angegebene Leergewicht integriert ist),
ein Kind mit Kindersitz und 2 schwere Koffer auf dem Weg in den Urlaub sind, wird es sogar schon mit einem Dachzelt unter 30kg problematisch.
Die Zuladung, also der Wert zwischen dem angegebenen Leergewicht und dem zulässigen Gesamtgewicht, welche beide im Übrigen in der Zulassungsbescheinigung angegeben sind, variiert je nach Ausstattungs- und Getriebevariante des Jimnys.
Beim Jimny FJ sind es in etwa 240-285kg, beim neuen Jimny GJ ca. 250-270kg und beim Jimny HJ, also dem Nutzfahrzeug mit zwei Sitzen, sind es, trotz eingespaartem Gewicht ebenfalls 270kg.
IN EIGENER SACHE
DAS MODELL
Das von mir gebraucht erstandene Dachzelt ist das Modell *Wasteland* von der Marke Primetech.
Hier gehen die Meinungen wie so oft, erneut auseinander.
Es gibt viele zufriedene Nutzer dieses Modells und natürlich gibt es auch diese Stimmen die es als „China-Schrott“ beschimpfen und auf ihr Markenzelt für 2899.-€ Wert legen.
Hier sollte man immer bedenken welchen Zweck die Anschaffung eines Dachzeltes verfolgt und wo die eigenen Ansprüche liegen.
Ist man eher der Typ Festival-Besucher, der „Ein-Tag-Spaß-Haber“, der Pfennigfuchser oder ganz simpel, absolut neu auf dem Gebiet Dachzelt oder Camping, dann ist eben dieses Primetech Wasteland absolut ausreichend und eine grandiose Investition.
Plane ich hingegen eine Eis- oder Sandwüsten-Expedition, bin ich am Ausstatten meines Fahrzeuges für eine 3-jährige Weltumrundung, möchte ich schlafen wie Gott in Frankreich oder das Zelt per Fernbedienung auf und zuklappen können?
Dann muss auch ich zugeben, würde ich von diesem Modell vielleicht abraten und mich in gehobeneren Preiskategorien umsehen.
Ich kann nur sagen, dass ich in Anbetracht der Nutzung und der Qualität in Verbindung mit dem Preis, mit diesem Zelt absolut zufrieden bin!
WEG VOM DACH
Weniger die Problematik der Dachlast, als viel mehr die geringe Zuladung, zusammen mit der Möglichkeit den *Horntools-Dachträger* in Gänze nutzen zu können, sowie der Wunsch nach dem geeigneten Spagat zwischen Camping und Offroad, ließ für mich recht schnell nur ein Fazit zu:
Das Dachzelt muss auf einen Anhänger!
Es kam aufgrund der eher seltenen Nutzung nicht in Frage einen Anhänger von 3DOG oder gar einen
australischen Camping-Trailer zu kaufen, welche beide den Wert des Jimnys überschreiten würden.
Auch der Umbau des oft besprochenen Bundeswehr/Feuerwehr-Trailers kam aus verschiedenen Gründen nicht in Frage.
Der Jimny FJ ist mit seinen 1.3L Hubraum und schwachen 82PS einfach nicht für einen derart schweren Anhänger geeignet, auch wenn er 1300kg ziehen dürfte und es auch durchaus kann.
Es gab also 2 Möglichkeiten:
Einen simplen Baumarkt-Anhänger aus Alu.
Vorteile: Neu, Günstig, Leicht. Nachteile: In keinster Weise Offroad- oder gar für den Umbau geeignet
oder
Anhänger Marke Eigenbau
Vorteile: Ein Offroad-tauglicher Anhänger ganz nach Wunsch und abgestimmt auf den Jimny. Nachteile: Arbeit, Mühe, Schweiß, Kosten.
Es bedarf keiner weiteren Erwähnung für welche Variante ich mich schlussendlich entschieden habe!
Die Vorteile sind meines Erachtens nach nicht von der Hand zu weisen:
Das Fahrzeug kann voll beladen werden. Alles was nicht in das Fahrzeug kommt, passt auf den Horntools-Träger.
Der Anhänger bietet unter dem Dachzelt reichlich zusätzlichen Stauraum, beispielsweise für Zarges-Kisten oder Euro-Boxen.
Die Flexibilität. Das Dachzelt kann aufgebaut an Ort und Stelle verweilen, während der Jimny Offroad unterwegs ist.
Der Anhänger kann auch im Alltag weiter genutzt werden und steht nicht an 330 Tagen im Jahr im Weg rum.
Er liegt mit dem höhergelegten Jimny auf einer Ebene. Somit entfällt das Tieferlegen der Anhängerkupplung und die Offroadfähigkeit bleibt bestehen.
Um es der Vollständigkeit halber nochmal zu erwähnen: DACHLAST und ZULADUNG.
Wer nicht in der Lage ist sich einen Anhänger selber zu bauen oder mit seinem Gespann nicht Offroad unterwegs sein möchte, dem empfehle ich natürlich den Kauf eines kleinen Anhängers im Baumarkt seines Vertrauens. Reicht vollkommen und bietet ebenso einige der genannten Vorteile.
Hier sollte man vielleicht auf eine Variante setzen welche gute Befestigungsmöglichkeiten für eine Quertraverse bietet. Schlussendlich ist das Zelt aber immer Ladung und kann bei ausreichender Sicherung so transportiert werden, wie es euch beliebt.
Für mich ist meine Variante die ideale und ich bereue weder die Kosten, noch die Arbeit investiert zu haben.
Mehr zur Planung und dem Aufbau des Anhängers folgt in Kürze.
Bei Fragen dazu schreibt mir einfach eine Nachricht.
MATERIAL UND PFLEGE
DIE QUAL DER WAHL?
Wie Anfangs erwähnt, war ich durch meine Tätigkeit in der Outdoor-Branche mehr oder weniger gezwungen,
mich mit der Pflege, den Textilien und allgemeinen Gegebenheiten von Zelten auseinanderzusetzen.
Mein Fazit daraus ist recht klar.
Es wird oft gestritten und diskutiert und auch hier wird Meinung zur Wahrheit befördert und „Das war schon immer so!“ lässt kaum Raum für all die sinnvollen Neuerungen.
Natürlich gibt es Baumwolle, welche in gewissen Anwendungsfällen einen hervorragenden Job leistet
und uns mehr als ein Jahrhundert lang in der Textilbranche als das Nonplusultra zur Seite stand.
Seit aber mittlerweile über 70 Jahren, wird an Kunststoffen gefeilt, welche immer komplexere Strukturen und damit Möglichkeiten des Einsatzes bieten. Hier sind seit etwa 1950 nicht nur Kunststoffe der chemischen Industrie in der Entwicklung vorangeschritten, sondern in den letzten Jahren auch zunehmend natürliche Möglichkeiten, Funktionsfasern zu schaffen. Und zwar absolut erfolgreich.
Dazu zählen neben Schuhen die auch nach intensivem Tragen nicht mehr riechen, wasser- und winddicht sind,
aber atmen können und kaum etwas wiegen, z.B. auch Softshelljacken.
Diese zum Teil mehrlagigen Jacken stellen mit ihren 3mm Stärke jede Daunenjacke der späten 90er in den Schatten.
Die verwendeten Fasern leiten Schweiß nach außen, aber lassen kein Wasser nach innen. Sie belüften den Körper, speichern aber Wärme und sind winddicht.
Es gibt Funktionsunterwäsche, Strümpfe mit Silberionen gegen unschöne Gerüche, GoreTex-Kleidung und schnittfeste Kleidung für Waldarbeiter oder Metzger. Alles Dank dem Fortschritt in der Textilbranche.
Und es gibt Menschen die reine Baumwolle verteidigen, als sei sie mit Moses vom Berg Sinai gekommen und Teil des göttlichen Glaubens.
Ja, mein T-Shirt ist aus 100% Baumwolle. Ja auch meine Bettwäsche aus Baumwolle ist einzigartig!
Nein, mein Dachzelt ist nicht aus Baumwolle.
Warum?
Reine Baumwolle saugt Wasser auf, trocknet danach schlecht, lässt sich schwer abdichten, reißt und schimmelt.
All das kann man mit Kunstfasern umgehen. Und dabei muss es kein Plastiksack aus Polyurethan sein.
Die Firma VAUDE zum Beispiel, ist einer der Vorreiter mit dem Firmeneigenen „GreenShape“ Projekt.
Hier werden Naturfasern mit Kunstfasern kombiniert, auf Nachhaltigkeit in allen Ebenen geachtet und Ökologie und das bewusste Verhalten pro Natur in den Vordergrund gerückt.
Nein, es gibt derzeit kein Dachzelt von Vaude. Aber es ist ein grandioses Zeichen des Fortschrittes.
Oder um es mit den Worten von Rolf Miller zu sagen:
„Wäre die Katze ein Pferd, könnte man die Bäume hinauf reiten!“
Denn der (Einsatz-) Zweck, heiligt die Mittel.
Es gibt kein gutes und kein schlechtes Material. Es gibt nur für diese oder jene Situation zweckmäßiges Material.
Ein Kind welches im Gerten der Eltern zeltet, braucht kein Zelt für 3000.-€ mit dem erfolgreich Himalaya-Expeditionen bestritten werden.
Eine Himalaya-Expedition hingegen guckt dumm und vor allem frierend aus der Wäsche, wenn das Aldi-Zelt für 29,95 € nicht den gewünschten Nutzen bringt.
Wo früher also reine Baumwolle das Nonplusultra war, haben mittlerweile die Funktionsfasern eine Hauptaufgabe übernommen. Und eines kann man mit reinem Gewissen sagen:
Sie machen Ihre Arbeit verdammt gut.
In vielen Gruppen und Foren wird vermehrt auch der erwähnte „China-Schrott“ schlecht geredet.
Dabei lässt sich die Anzahl der deutschen und europäischen Konzerne, welche Funktionsfasern für den Endkunden herstellen, aber an einer Hand abzählen.
95% kommen aus Fernost. Das ist Globalisierung. Und das ist, jedenfalls in vielen Fällen gut so!
Keine hochwertige Gore-Tex Jacke wäre aus rein deutscher Produktion bezahlbar.
Und ebenso wie der Großteil der Dachzelte und deren Stoffe, kommen Elektronikbauteile, Dinge des täglichen Bedarfs, Spielwaren und endlos viele weitere Produkte aus fernen Ländern, in die wir im besten Falle einmal reisen werden.
Auch das ist Globalisierung!
Das altbekannte Problem: Oft wird in puncto Material allerdings ebenfalls in Halbwahrheiten gesprochen.
Viele Eigenschaften, teils enorm wichtig, teils absolut unwichtig, werden vermischt und schlussendlich ist der Endverbraucher dermaßen verunsichert ob der Komplexität, dass oft die „Höher Schneller Weiter„-Strategie greift und zu dem Produkt gegriffen wird, welches die meisten und absurdesten Eigenschaften verspricht und mit den größtmöglichen noch lesbaren Zahlen wirbt.
„GEHEIMTIPPS“ ZUM SCHLUSS
WASSER MARSCH!
Die meisten hochwertigen Zelte haben von innen verschweißte Nähte um an den „Schadstellen“,
an welchen die Nadel das Material durchdrungen hat, den Wassereinbruch zu vermeiden.
Sollte man ein Zelt kaufen, so sind verschweißte Nähte ein beachtenswerteres Kriterium,
als die immer wieder beworbene Wassersäule.
Denn nicht die Fläche ist das Problem, sondern die ganzen Ecken und produktionsbedingten „Beschädigungen“.
Meine Empfehlung bezüglich Dichtheit bei einem nagelneuen Zelt:
An einem warmen, bestenfalls sonnigen Tag das Zelt aufbauen.
Ruhig im Garten statt auf dem hohen Autodach.
Mit dem Gartenschlauch wässern und dabei immer schön auf die Nahtstellen zielen.
Abtrocknen lassen. Das ganze 3-4 mal wiederholen.
Es trinkt mit 90%iger Sicherheit Wasser in das Zelt ein.
Der Sinn dahinter:
Gleichzeitig quellen durch das Wasser aber die Nähgarne auf und dichten die Nadellöcher damit ab.
(Die Nadel ist ja immer größer als das Garn selber)
Das Garn trocknet zwar auch wieder aus, aber dichtet trotz alledem ab.
Danach die bekannten Prozeduren mit Imprägnierspray und Nahtdichtmittel durchführen.
(Im Zweifel wirkt eine alte Kerze Wunder.)
WASSERSÄULE ODER WERBESÄULE
Das am besten funktionierende und gleichzeitig sinnloseste Verkaufsargument.
Warum funktioniert die Wassersäule als Verkaufsargument?
Hierüber lässt sich streiten. Werbestrategisch ist es allerdings so, dass eine größere Zahl (insofern sie für den Großteil der Zielgruppe lesbar ist), ein gutes Gefühl vermittelt.
Wer kauft schon das Zelt mit 300mm Wassersäule, wenn das Angebot daneben eine 2000mm Wassersäule hat
und auch noch 30% im Preis reduziert ist?
Es gibt durchaus Zelte für 1500.-€ mit einer 300er Wassersäule welche im Nanga Parbat das Überleben der pakistanischen Armee sichern.
Aber auch Zelte mit 6000er Wassersäule für 49.-€ aus dem Discounter.
Alleine dieser Fakt deutet schon auf den Irrsinn dahinter hin.
Und warum genau ist die Wassersäule nicht mehr als ein Verkaufsargument?
Dazu lohnt es sich ins Gedächtnis zu rufen, was der Begriff „Wassersäule“ denn eigentlich aussagt.
Denn kaum jemand weiß tatsächlich, um was es sich bei dieser Angabe handelt.
Da Wikipedia hier recht hat, folgende Ausführung, ergänzt durch Kommentare:
„Die Wassersäule ist auch eine Maßeinheit, um die Wasserdichtigkeit z. B. von technischen Geweben
(Zelte, Funktions- und Regenbekleidung) anzugeben.“
Stimmt so natürlich erstmal!
„Die DIN EN 20811:1992, auch ISO 811 genannt, regelt die Methode zur Bestimmung des Widerstandes gegen das Durchdringen von Wasser.
Durchzuführen ist folgender „Hydrostatischer Wasserdruckversuch“:
Die Außenseite des Materials wird dem Wasser ausgesetzt. Der Wasserdruck beginnt bei Null, die Wassersäule steigt je nach Norm um 100 mmWS oder 600 mmWS pro Minute.
Gemessen wird die Zeit, bis der dritte Tropfen auf der Innenseite zu sehen ist.
Der Druck, der zu diesem Zeitpunkt wirkt, wird dann in Millimeter Wassersäule angegeben“
Bitte was?!
Jetzt macht als erstes mal der „dritte Tropfen“ stutzig.
Ist das Zelt beim dritten Tropfen undichter als beim ersten oder dichter als beim fünften Tropfen?
Wir reden hier grundlegend immer von einem Quadratmeter Stoff, denn genau darauf bezieht sich die Angabe.
Ein Meter Wassersäule entspricht einem Megapond pro Quadratmeter.
Megapond? Was ist das denn schonwieder?
Ein Megapond entspricht 1000 Kilopond, welches nach alter Definition
(die neue ist ungleich komplizierter) die Kraft ist, welche durch Schwerebeschleunigung…
Lassen wir das!
Ganz einfach ausgedrückt, wirkt eine Tonne Wasser auf einen Quadratmeter eures Zeltes!
Wer 2004 die Bilder aus Indonesien gesehen hat, kann ganz grob erahnen welche Kraft hier angenommen wird.
Und alle sollten sich glücklich schätzen nur hier darüber zu lesen.
Ergo: Die Angabe der Wassersäule ist absolut realitätsfern.
Im schlimmsten Falle sollte euer Dachzelt einem Starkregen standhalten.
Wenn die Angabe „Wassersäule“ zum Tragen kommt, habt ihr bereits ganz andere Probleme!
Und da sind wir beim Zeltboden und den Belüftungsöffnungen noch garnicht angekommen.
Wem diese Ausführung an den Haaren herbei gezogen erscheint,
der lasse sich vom Verkäufer erklären was denn die beworbene Wassersäule so im Detail aussagt!
Und spätestens dann wird es wirklich lustig!
Druckt euch die Definition aus und testet das. Ehrlich.
Ein kleiner Blick in die Glaskugel: „Das heißt wieviel Regen ihr Zelt aushält!“
EURE MEINUNG
Bitte denkt immer daran:
Mein hier niedergeschriebenes Wissen basiert nicht auf Hörensagen, nicht ausschließlich auf Meinungen und nur zum Teil auf Erfahrungen.
Es basiert auf Recherche und meiner Einschätzung dazu in Bezug zur Realität im Alltag.
Einer Recherche zu der ich mehr oder minder gezwungen war, weil ich einige Jahre bei einem der größten europäischen Online-Händler für Outdoor-, Camping-, und Militärbedarf tätig war.
Mein Aufgabengebiet war unter anderem die „Europäische Textilverordnung“ zu studieren und gesetzestreu für den Endkunden umzusetzen. Weitere Aufgaben waren die Erstellung von Werbe- und Marketingkonzepten.
Eben hieraus resultiert auch der Einblick in das gezielte streuen von Fehlinformationen für Verkaufszwecke.
Weitere Recherche ergab sich für diesen Artikel unter anderem durch direkte Fragesteller und über einen längeren Zeitraum, da mir im Internet immer wieder Halbwahrheiten begegneten, welche meist auf Werbestrategie oder falschem eigenen Überzeugungen ohne Eigenerfahrung basieren.
Ich hoffe der Artikel sagt euch zu und hilft euch weiter.
Im besten Fall beantwortet er einige eurer Fragen und räumt mit den meisten Mythen ein wenig auf.
Schlussendlich wünsche ich viel Spaß im Dachzelt! Egal auf welchem Wagen oder Trailer!
Für manche ist es Bestimmung, für andere ein Freiheitsgefühl und wieder andere sehen als als Mittel zum Zweck.
Ihr habt Fragen? Anregungen! Wünsche?!
Her damit. Ich versuche aus jeglichem Input etwas zu machen.
Alle Bilder, Videos und Texte unterliegen dem Urheberrecht.
Bilder: Dachzeltnomaden, Stefan Roth (The Jimny Diaries)
Text & Redaktionelle Bearbeitung: Stefan Roth (The Jimny Diaries)