Die KFZ-Steuerfrage

Ein vermeintliches Problem und seine Lösung

Diese Story könnte man beginnen wie einen schlechten Stammtischwitz:
Christian Lindner und Volker Wissing sitzen in einem Jimny…

Aber wir starten die Geschichte etwas anders:

Es trug sich zu, dass sich Jimny-Besitzer in Foren über die jährlich zu begleichende KFZ-Steuer austauschten und dabei einen so handfesten Skandal witterten, dass bereits Briefe an Zollämter & Steuerberater auf den Weg gebracht und Petitionen unterzeichnet werden sollten.

Nein, nein! Ganz so schlimm ist es tatsächlich auch nicht.
Naja, doch! Bis auf die Petition wars eigentlich sogar genau so!

Die vermeintlich zu viel gezahlte Steuer, gegenüber dem Freund der auch einen GJ sein Eigen nennt, wirft hier und da berechtigterweise Fragen auf, die mal erklärt und damit beantwortet werden sollten.

Denn nicht für wenige sind die verschiedenen Berechnungen „böhmische Dörfer„, wie es ein Forenmitglied so treffend bezeichnete.

Extrem verwirrend ist hierbei wohl die Tatsache, dass alle Jimny (GJ/HJ)-Modelle den exakt gleichen Motor mit identischem Hubraum verbaut haben. Und wie wir alles wissen, zahlt man ja einen festen Betrag X pro angefangene 100ccm Hubraum.

Oder doch nicht?

Gehen wir also rein in die Thematik und klären offene Fragen.

Achtung, es folgt etwas intensivere und härtere Kost.


Die früheren und aktuellen Prüfverfahren zur offiziellen Typgenehmigung neuer PKW-Modelle in der EU.

Bevor wir in die weite Welt der Steuerberechnung eintauchen, müssen wir uns einigen Begrifflichkeiten widmen, die hier eine tragende Rolle spielen:

NEFZ:

Das frühere Prüfverfahren NEFZ, welches für „Neuer Europäischer Fahrzyklus“ steht, wurde 1992 eingeführt.

Das stetig aktualisierte NEFZ-Prüfverfahren beinhaltete zum Ende hin folgende Testbedingungen und Anforderungen, geltend für alle Hersteller und ihre Fahrzeuge:

– Feste Geschwindigkeit und Last auf einem Prüfstand

– Starttemperatur 20-30°C sowie den Kaltstart

– 1180 Sekunden Prüfzeit

– 11,01 km Prüfstrecke

– mittlere Geschwindigkeit 33,6 km/h

– maximale Geschwindigkeit 120 km/h

– fixe Schaltpunkte

– Sonderausstattung nicht berücksichtigt

– keine Unterschiede bei verschiedenen Motor-Getriebe-Kombinationen

WLTP:

Im September 2017 trat eine Reform in Kraft, welche das frühere NEFZ-Verfahren durch das neue WLTP-Verfahren ersetzt.

WLTP steht hierbei für „Worldwide harmonized Light Duty Test Procedure“ und soll genauere und Praxisnahe Verbrauchsangaben liefern. Hierfür wurden folgende Vorgaben festgelegt:

– Starttemperaturen 23°C und 14°C (entspricht der europäischen Durchschnittstemperatur)

– 1800 Sekunden Prüfzeit

– 23,25 km Prüfstrecke

– mittlere Geschwindigkeit 46,5 km/h

– maximale Geschwindigkeit 131 km/h

– fahrzeugspezifische Schaltpunkte

– berücksichtigte optionale Ausstattung

– Einzelprüfung aller erhältlichen Motor-Getriebe-Kombinationen

Durch diese Vorgaben, werden erstmal auch Aerodynamik & Gewicht ins Spiel gebracht, welche sich durch verschiedene Motorisierungen und Schaltungen beim grundlegend gleichen Fahrzeugmodell, z.T. erheblich voneinander unterschieden.

RDE:

Ergänzend zum WLTP-Prüfverfahren werden nun auch die Abgasreinigungssysteme in „Real Drive Emissions„-Tests unter realen Bedingungen, heißt bei tatsächlichen Straßenfahrten geprüft.

Ein portables Messsystem (PEMS) misst einerseits den Schadstoffausstoß, zieht andererseits aber auch die Fahrzeugparameter und Fahrbedingungen hinzu.

Ein RDE-Messverfahren muss zwischen 90 und 120 Minuten laufen und aus Stadt-, Land- und Autobahnfahrt zu je einem Drittel bestehen.

Insgesamt werden hierbei mindestens 16km zurückgelegt, wobei Innerorts eine Maximalgeschwindigkeit von 60 km/h, außerorts eine Maximalgeschwindigkeit von 90 km/h und auf der Autobahn eine Mindestgeschwindigkeit von 90 km/h gehalten werden muss.

Das RDE-Verfahren ist kein Ersatz für die WLTP-Messung, sondern dient als Überprüfung des Messverfahrens um reale mit simulierten Fahreigenschaften vergleichen zu können.

Damit wird die Messung präzisiert und ein Schummeln und Tricksen über Prüfstand-Software erschwert.

Mehr zu diesem Thema bei allen großen Autoherstellern und einen speziellen Dank an VW. *zwinkersmiley*

Nun haben wir die wichtigsten Begriffe erklärt und kommen zu den


Besteuerungsverfahren

Berechnung nach Hubraum

Die oben bereits erwähnte Regel, einen festen Betrag X, pro 100 angefangene Kubikzentimeter Hubraum zu nehmen, wurde mit der „neuen“ CO2-Bepreisung außer Kraft gesetzt.

Bei Fahrzeugen, welche bis zum 04.11.2008 erstzugelassen wurden, gilt die alte Regel, welche je nach Schadstoffklasse eine Abgabe pro angefangene 100ccm zugrunde legt.

Beispielhaft ein Suzuki Jimny FJ, Erstzulassung 10/2008 mit dem 1.3 Liter Benzin-Motor und 171g/km CO2-Ausstoß:

Euro 4 = 6,75 € x 1328ccm (also 14 angefangene 100ccm) = 94.- € Gesamtbetrag/jährlich

(Beim Diesel beträgt die Abgabe für Euro 3 und besser 15,44 € je angef. 100ccm)

Berechnung nach CO2-Ausstoß (und Hubraum)

Zum 01.Juli 2009, wurde das Besteuerungsverfahren umgestellt.

Alle Fahrzeuge welche ihre Erstzulassung nach diesem Stichtag erhalten haben, werden nach dem CO2- Ausstoß besteuert.

Dieser setzt sich wie folgt zusammen:

Je angefangene 100ccm Hubraum, zahlt man weiterhin einen Sockelbetrag.

Im Falle eines Benziners mit Schadstoffklasse 3 oder besser, fallen 2.- € je angefangene 100ccm an.

Hinzu kommt ein CO2-Zuschlag von mindestens 2.- € pro ausgestoßenem Gramm CO2.

Jedoch gibt es hier eine Freigrenze für die ausgestoßenen g/km, sowie eine Preisstaffelung je nach Ausstoßmenge.

Die Freigrenze für alle Erstzulassungen ab 2014 liegt bei 95g/km, bei Erstzulassungen von 2012 und 2013 bei 110g/km und bei allen Fahrzeugen welche vor 2012 zugelassen wurden, bei 120g/km.

Diese Staffelung für die Bepreisung des CO2-Ausstoßes sieht nach dem Abzug der Freigrenzen-Menge wie folgt aus:

96 – 115 g/km: 2.- € je g/km
116 – 135 g/km: 2,20 € je g/km
136 – 155 g/km: 2,50 € je g/km
156 – 175 g/km: 2,90 € je g/km
176 – 195 g/km: 3,40 € je g/km
ab 196 g/km: 4.- € je g/km

Beispielrechnungen der Besteuerung nach CO2-Ausstoß

Suzuki Jimny FJ grundlegend der gleiche wie oben bereits erwähnt, allerdings Erstzulassung von 10/2009 mit dem identischen 1.3 Liter Benzin-Motor und 171g/km CO2-Ausstoß:

1328ccm (also 14 angefangene 100ccm) = 28.- € Sockelbetrag

171g/km CO2-Ausstoß – 120g/km Freigrenze = 51g/km zu berechnender CO2-Ausstoß

51g/km x 2.-€ = 102.- € CO2-Bepreisung

Sockelbetrag + CO2-Bepreisung = Gesamtabgabe

28.- € + 102.- € = 130.- €

Die aufmerksamen Lesefüchse haben die Lücke vom 05.11.2008 bis zum 30.Juni 2009 bereits entdeckt.

Bei Fahrzeugen deren Erstzulassung in diesem Datumsbereich liegt, prüft das zuständige Finanzamt welche Besteuerung günstiger ist.

Nun sollte man meinen, man hat das Spiel durchschaut und alles lässt sich ´simple like that´ berechnen.

Puh! Wars das jetzt?

Nein nein, da war ja noch was.
Und vorsicht, denn jetzt schlägt der schimpfende Mathelehrer nochmal richtig zu.
Denn warum haben wir uns wohl Anfangs die Prüfverfahren einverleibt, wenn diese in der Rechnung unbeachtet bleiben würden?
Und ging es nicht um den Jimny GJ? Wir haben ja bisher nur über den FJ gesprochen.

Also nochmal rein da!
Noch tiefer! Noch härter!


Die Besonderheiten des Jimny GJ

Die Jimnys der Baureihen GJ werden zwar alle nach Sockelbetrag und CO2-Ausstoß berechnet, aber sie wurden eben auch noch gaaaanz knapp nach altem Prüfverfahren (wir erinnern uns an NEFZ) auf den deutschen Markt geworfen, womit die ersten verkauften Wägelchen auch noch nach eben diesem Prüfstandard und dem daraus resultierenden CO2-Ausstoß besteuert werden.

Kurz nach Einführung des Jimny GJ auf den deutschen Markt, wurde aber das neuere WLTP-Prüfverfahren zur Steuerberechnung herangezogen.

Bedeutet kurz und knapp, ein höherer, weil realistischerer CO2-Ausstoß pro km wird nun angenommen.

Am Sockelbetrag von 2.- € je angefangene 100ccm ändert das nichts.

Jedoch verringert sich ja die Freigrenze des CO2-Ausstoßes und beträgt für den Jimny GJ „nur noch“ 95g/km.

Schon wieder Beispiele

Als Beispiel wieder 2 Jimny, diesmal aber natürlich der GJ:

Beispiel 1:
Suzuki Jimny (GJ), Erstzulassung 08/2018 mit dem 1.5 Liter Benzin-Motor, Schaltgetriebe und nach dem NEFZ-Prüfverfahren 154g/km CO2-Ausstoß:

1462ccm (also 15 angefangene 100ccm) = 30.- € Sockelbetrag

154g/km CO2-Ausstoß – 95g/km Freigrenze = 59g/km zu berechnender CO2-Ausstoß

59g/km x 2.-€ = 118.- € CO2-Bepreisung

Sockelbetrag + CO2-Bepreisung = Gesamtabgabe

30.- € + 118.- € = 148.- €

Beispiel 2:
Suzuki Jimny (GJ), Erstzulassung 10/2018 mit dem 1.5 Liter Benzin-Motor, Schaltgetriebe und nach dem WLTP-Prüfverfahren 178g/km CO2-Ausstoß:

1462ccm (also 15 angefangene 100ccm) = 30.- € Sockelbetrag

178g/km CO2-Ausstoß – 95g/km Freigrenze = 83g/km zu berechnender CO2-Ausstoß

83g/km x 2.-€ = 166.- € CO2-Bepreisung

Sockelbetrag + CO2-Bepreisung = Gesamtabgabe

30.- € + 166.- € = 196.- €

Alleine durch das als Berechnungsgrundlage herangezogene WLTP-Verfahren, verteuert sich also das gleiche Auto mit identischem Motor um 48.-€

Automatik-Fahrer schalten noch einen Gang höher

Denn wer nun glaubt, hier endet die Geschichte, der hat die Wehklagen der Automatik-Fraktion überhört.

Denn der nur mit einem anderen Getriebe ausgestattet Jimny, hat einen nicht unwesentlich höheren CO2-Ausstoß.

Hier also für alle Automatik-Liebhaber der Vergleich. Wir bleiben, weil Suzuki es uns hier mal einfach macht, bei der gleichen Motorisierung, hängen an den 1.5 3D Comfort+ jedoch ein A/T statt des M/T in der Ausstattungsvariante und sparen uns das Kupplungspedal auf dem Weg zum Finanzamt:

Beispiel 1:
Suzuki Jimny (GJ), Erstzulassung 08/2018 mit dem 1.5 Liter Benzin-Motor, Automatikgetriebe und nach dem NEFZ-Prüfverfahren 170g/km CO2-Ausstoß:

1462ccm (also 15 angefangene 100ccm) = 30.- € Sockelbetrag

170g/km CO2-Ausstoß – 95g/km Freigrenze = 75g/km zu berechnender CO2-Ausstoß

59g/km x 2.-€ = 150.- € CO2-Bepreisung

Sockelbetrag + CO2-Bepreisung = Gesamtabgabe

30.- € + 150.- € = 180.- €

Beispiel 2:
Suzuki Jimny (GJ), Erstzulassung 10/2018 mit dem 1.5 Liter Benzin-Motor, Automatikgetriebe und nach dem WLTP-Prüfverfahren 198g/km CO2-Ausstoß:

1462ccm (also 15 angefangene 100ccm) = 30.- € Sockelbetrag

198g/km CO2-Ausstoß – 95g/km Freigrenze = 103g/km zu berechnender CO2-Ausstoß

103g/km x 2.-€ = 206.- € CO2-Bepreisung

Sockelbetrag + CO2-Bepreisung = Gesamtabgabe

30.- € + 206.- € = 236.- €

So, geschafft!

Diesmal wirklich!
Und es war ja auch noch recht einfach!
Denn wir haben als Jimny-Fahrer das große Glück, dass es lediglich eine Ausstattungsvariante des GJ, mit 2 Getriebeversionen gibt, welche hier als Berechnungsgrundlage dienen kann.

Wer dieses Experiment für den Golf 7 durchführen will, der kann einen Volks(wagen)hochschulkurs besuchen und sich schonmal Kühlpads für sein abrauchendes Gehirn zulegen.

Glücklicherweise gibt uns das Bundesfinanzministerium einen gut funktionierenden Rechner an die Hand, den wir euch hier integriert haben.

Die Prüfverfahrens-Verwirrung haben wir geklärt, die Daten und Stichtage gesetzt und im Download-Bereich findet ihr die Datenblätter mit Angabe des Prüfverfahrens und des entsprechend angenommenen CO2-Ausstoßes.

Einzig die Daten müsst ihr noch stimmig eintragen um auf das korrekte Ergebnis für euren Jimny zu kommen.

Ich arbeite außerdem derzeit an einer Tabelle, welche alle Jimnys in ihren Varianten seit 1998 berücksichtigt. (Dauert aber noch ein bisschen, wir bitten um Geduld.)

Und was ist mit dem HJ?

Völlig außer Acht gelassen ist in der ganzen Geschichte der Jimny HJ, welcher als NFZ (Nutzfahrzeug) einer anderen Besteuerung unterliegt.

Da dieser außerdem erst nach 2018 und somit ausschließlich nach WLTP-Prüfverfahren auf den Markt gebracht wurde und auch nicht mehr nach angefangene 100ccm sondern nur nach der zulässigen Gesamtmasse (wie ein echtes Nutzfahrzeug) berechnet wird, es nur eine Motorvariante sowie ein Getriebe gibt, gibt es auch keinen zu beachtenden Wert.
Die Steuerlast beträgt 90.-€/jährlich.


Ich hoffe mit den Begrifflichkeiten, Daten und Beispielen etwas Licht ins Steuer-Dunkel gebracht zu haben und euch eine Hilfestellung, welche sich nicht in den aus Foren gewohnten Widersprüchlichkeiten verliert, gewesen zu sein.
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Ihr habt noch Fragen, Kritik, Anregungen oder Wünsche?
Her damit. Ich versuche aus jeglichem Input etwas zu machen.

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Quellen: ADAC, MEINAUTO.DE, VERIVOX, BUNDESFINANZMINISTERIUM
Bilder: PIXABAY, FREEPIK, Stefan Roth (The Jimny Diaries)
Text & Redaktionelle Bearbeitung: Stefan Roth (The Jimny Diaries)